Ein Minenwarnschild auf einem nebligen Hügel.

Angesichts der verheerenden humanitären Folgen der Bombardierung und des Beschusses von bevölkerten Gebieten haben 83 Staaten auf einer Konferenz in Dublin am 18. November 2022 ein internationales Übereinkommen zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) unterzeichnet. Es handelt sich dabei um das erste internationale Übereinkommen über den Einsatz von EWIPA überhaupt.

Die Unterzeichnungskonferenz steht am Ende eines fast dreijährigen Prozesses zur Ausarbeitung des Textes der politischen Erklärung, an dem über 100 Staaten, UN-Organisationen, internationale und regionale Organisationen sowie die Zivilgesellschaft beteiligt waren. All diese Akteur*innen kamen auf Einladung der Regierung Irlands, die den Prozess von Beginn geleitet hat, am 18. November 2022 erneut zusammen, um auf einer internationalen Konferenz im Alten Schloss von Dublin dieses internationale Abkommen offiziell zu verabschieden.

Die Unterzeichnungskonferenz in Dublin wurde von hochrangigen Gästen eröffnet: dem irischen Außenminister Simon Coveney, der UN-Untergeneralsekretärin für Abrüstungsfragen Izumi Nakamitsu, der Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) Mirjana Spoljaric und der Aktivistin für die Rechte von Menschen mit Behinderung Nujeen Mustafa, die den Einsatz von EWIPA auf ihre Heimatstadt Aleppo am eigenen Leib miterleben musste. UN-Untergenersekretärin Nakamitsu übermittelte neben ihrer eigenen Rede auch einleitende Worte des UN-Generalsekretärs António Gueterres, der die Verabschiedung der Erklärung als „enorme Errungenschaft“ und „Meilenstein in den kollektiven Bemühungen um einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung“ lobte. Allerdings müssen die Unterzeichnerstaaten „diese Erklärung durch eine umfassende und sinnvolle Umsetzung mit Leben füllen“.

In einer berührenden Rede appellierte auch Aktivistin Mustafa an die Staaten, die Erklärung nicht nur „ein beschriebenes Stück Papier“, sondern vielmehr den „Beginn eines wirklichen Wandels“ werden zu lassen. Für den Ausblick auf eine sichere Zukunft sah sich Nujeen Mustafa 2015 gezwungen vor den Bombardierungen in Syrien zu fliehen. Seit ihrer gefährlichen Flucht im Rollstuhl lebt sie in Deutschland.

Neben dem Gastgeberland Irland bedankten sich auch zahlreiche andere Staaten in ihren nationalen Statements ausdrücklich für die Unterstützung der Zivilgesellschaft, die während des gesamten diplomatischen Prozesses sehr geschätzt wurde.

Das Abkommen verpflichtet die Staaten, den Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten einzuschränken, um die Zivilbevölkerung besser zu schützen und zivile Opfer zu verhindern. Darüber ergeben sich aus der politischen Erklärung auch Verpflichtungen zum ungehinderten humanitären Zugang, zur Unterstützung der Opfer von Explosivwaffeneinsätzen und zur Beseitigung explosiver Kriegsreste.

Die politische Erklärung steht weiterhin zur Unterzeichnung offen und die Staaten können dieser jederzeit beitreten. Die bisherigen 83 Unterzeichnerstaaten (Stand 30.11.2022) sind:
Albanien, Andorra, Argentinien, Australien, Österreich, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Cabo Verde, Kambodscha, Kanada, Zentralafrikanische Republik, Chile, Kolumbien, Komoren, Costa Rica, Elfenbeinküste, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Finnland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Guatemala, Guyana, Heiliger Stuhl, Ungarn, Island, Indonesien, Irland, Italien, Japan, Kenia, Kiribati, Kuwait, Laos, Liberia, Lichtenstein, Luxemburg, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Malediven, Malta, Mexiko, Moldawien, Monaco, Marokko, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Palau, Palästina, Peru, Philippinen, Portugal, Katar, Republik Korea, Rumänien, St. Vincent und die Grenadinen, San Marino, Senegal, Serbien, Sierra Leone, St. Kitts und Nevis, Slowakei, Slowenien, Somalia, Spanien, Schweden, Schweiz, Togo, Türkei, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten und Uruguay.

Und wie geht es jetzt weiter?

Klar ist, dass die politische Erklärung nur ein Anfangs- und noch lange kein Endpunkt ist. Auf lange Sicht wird eine Universalisierung angestrebt, um die Gruppe der Unterzeichnerstaaten der Erklärung zu vergrößern. Die bisherigen Unterzeichnerstaaten, müssen zeitnah mit der Umsetzung der politischen Erklärung beginnen, da sie vor dem Hintergrund aktueller bewaffneter Konflikte und dem dringenden Schutz der Zivilbevölkerung verfasst wurde.

Die Auslegung einiger der in der Erklärung enthaltenen Verpflichtungen wird ein intensiver Austausch zwischen den Staaten, den Vereinten Nationen, dem Internationalem Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und der Zivilgesellschaft erfordern. Besonders Letztere wird auf eine Auslegung und Umsetzung drängen, die die höchsten Standards für den Schutz der Zivilbevölkerung gewährleistet.

Die Änderung nationaler Militärpolitik und –praktiken, weg vom Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten, ist zentraler Bestandteil der Erklärung. Die humanitären Verpflichtungen der Erklärung, beispielsweise die Opferhilfe, werden die Staaten zu einer Zusammenarbeit in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft bewegen. Handicap International (HI) wird zusammen dem Internationalen Netzwerk gegen Explosivwaffen (INEW) mithilfe eines 2022 gegründeten Monitors anhaltende zivile Schäden und Opfer in der Zivilbevölkerung dokumentieren und überwachen. Dies ist die Grundlage, um Staaten für ihre Verstöße gegen die politische Erklärung zur Rechenschaft ziehen zu können.

Zu Stärkung der Implementierung in den nationalen Kontexten wird auch das Engagement von Parlamentarier*innen von großer Bedeutung sein. Hierfür hatte sich bereits im Vorfeld der Konferenz eine interparlamentarische Initiative gegründet. Aus dieser Gruppe nahmen Abgeordnete aus Belgien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich an der Konferenz in Dublin teil, um deren Aktionsplan mit neun Punkten „für die neun von zehn zivilen Opfern des Einsatzes von EWPA" für die bevorstehende Implementierungsphase vorzustellen. In ihrer Rede verkündeten sie, dass sich bereits mehr als hundert Parlamentarier*innen aus fünf Ländern diesem Aktionsplan angeschlossen haben.

Neuigkeiten

Lesen Sie weiter