Diehl verbietet der Presse den Mund (Deutschland)
Es ist kein Automobil und keine Süßigkeit, sondern ein Artilleriegeschoss: SMArt 155. Und es ist keine Streumunition, sondern «Punktzielmunition«. Das ließ der Hersteller, der Nürnberger Rüstungsfabrikant Diehl, Anfang vergangener Woche vom Münchner Oberverwaltungsgericht feststellen. Wer SMArt 155 anders bezeichnet, muss mit einer Unterlassungsklage und gegebenenfalls einer hohen Geldbuße rechnen.
Um diese Buße ' bis zu 250000 Euro forderte Diehl ' zu vermeiden, hat der Regensburger Online-Journalist Stefan Aigner in dem Prozess eine einstweilige Verfügung als endgültig akzeptiert. In einer Kolumne vom Juli 2008 hatte Aigner das fragliche Geschoss als Streumunition bezeichnet, Diehl zog darauf vor Gericht.
Das smarte Kürzel steht für «Suchzünder Munition für die Artillerie«. Und genau dieser Suchzünder ist der Knackpunkt. Denn Diehls Geschoss - es findet sich bisher in den deutschen, griechischen und Schweizer Arsenalen ' wird nicht gezielt auf ein Objekt abgefeuert. Es zerlegt sich vielmehr über dem Zielgebiet. Dabei werden zwei Bomben freigesetzt, die sich dank Sensoren selbst ihr Ziel suchen. Finden diese Submunition genannten Bomben kein Ziel, zerstören sie sich nach Angaben des Herstellers sofort selbst. «Die Selbstzerlegung der Submunition ist redundant ausgelegt, damit Blindgänger sicher vermieden werden«, heißt es in der Produktbeschreibung.
Durch diese Vermeidung von Blindgängern und die Begrenzung auf nur zwei Submunitionen sei SMArt 155 nicht mit der geächteten und für Zivilisten so gefährlichen Streumunition gleichzusetzen, argumentierte Diehl. Allerdings wurde die Wirksamkeit des Selbstzerstörungsmechanismus' Kritikern zufolge nur von Diehl selbst und unter Idealbedingungen getestet.
Das Münchner Gericht jedenfalls folgte der Darlegung des Nürnberger Rüstungsunternehmens. Nicht gehört wurden im Prozess Fachleute, die zuvor Zweifel an dieser Darstellung angemeldet hatten. So verwies der Militärexperte Rae McGrath auf die amerikanische BLU 108, wie SMArt eine sensorengesteuerte Waffe, die beim Einsatz im Irak im Gegensatz zu ihrer eigentlichen Bestimmung gefährliche Blindgänger hinterlassen hat.
Warum wurde der «Spiegel« nicht verklagt?
«Unser Unternehmen befasst sich ausschließlich mit Munitionsarten, die nicht vom Verbot von Streumunition durch die Konvention von Oslo betroffen sind«, teilte Diehl-Sprecher Michael Prymelski auf Anfrage mit. Dass man den Regensburger Journalisten Aigner verklagt hat und nicht etwa Deutschlandradio oder den «Spiegel«, die SMArt 155 ebenfalls als Streumunition bezeichnen, liegt laut Prymelski daran, dass Aigner «unseres Wissens nach der Erste war, der nach der Unterzeichnung der Konvention von Dublin behauptet hat, wir würden weiterhin Streumunition herstellen«.
Doch hat Diehl nach dem Urteil nicht zwingend vor, jeden zu verklagen, der SMArt 155 weiter als Streumunition bezeichnet, sagte Prymelski: «Wir haben keine bestimmte Strategie, das entscheiden wir von Fall zu Fall.« Denn wenn pauschal vorgegangen würde, müsste Diehl auch die österreichische Regierung vor Gericht bringen, die SMArt als Streumunition klassifiziert und in ihrem Land verboten hat.
Entsprechend kommentierte François De Keersmaeker, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Handicap International, das Urteil: «Diehl hat mit seiner Klage gegen Aigner nicht erreicht, dass wir in Verbindung mit der SMArt-Munition nicht mehr von Streumunition reden dürfen.«