26 Jahre Ottawa-Vertrag: Ein Meilenstein zum Schutz der Zivilbevölkerung ist in Gefahr
Am 1. März 2025 jährt sich das Inkrafttreten des Minenverbotsvertrags zum 26. Mal. Was als wegweisender Erfolg der internationalen Zivilgesellschaft begann, steht heute vor beispiellosen Herausforderungen. Trotz aller Fortschritte ist die Welt von einem minenfreien Zustand weit entfernt – und die Errungenschaften des Vertrags werden zunehmend gefährdet.

Update vom 18.3.2025: Minenverbot noch mehr unter Gefahr: Tödliche Freiheit: Estland, Lettland, Litauen und Polen erwägen Austritt aus Ottawa-Konvention
Der Ottawa-Vertrag, offiziell bekannt als "Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung", trat am 1. März 1999 in Kraft. Seither hat er die Art und Weise verändert, wie die Welt mit diesen heimtückischen Waffen umgeht.
Laut Landminen-Monitor wurden im Jahr 2023 insgesamt 5.757 Opfer durch Landminen und explosive Kriegsreste registriert – eine Zahl, die zwar erschreckend hoch bleibt, aber deutlich unter den geschätzten 25.000 jährlichen Opfern vor Inkrafttreten des Vertrags liegt.
Ein Vertrag, der Leben rettet
Die Bilanz des Vertrags ist beeindruckend: 164 Staaten – darunter Deutschland – haben sich verpflichtet, diese unmenschlichen Waffen zu ächten. Durch das Verbot wurden mehr als 55 Millionen Antipersonenminen aus den Arsenalen der Vertragsstaaten vernichtet. Die Zahl der Länder, die Antipersonenminen produzieren oder sich das Recht dazu vorbehalten, sank von mehr als 50 vor dem Vertrag auf heute nur noch 12.
Die Wirkung des Vertrags zeigt sich auch in der Räumung: Allein im Jahr 2023 haben die Vertragsstaaten laut Handicap International insgesamt 281,50 km² kontaminiertes Land geräumt und dabei 160.566 Antipersonenminen vernichtet – die größte Räumungsfläche seit der letzten Überprüfungskonferenz 2019.
Für Minenopfer hat der Vertrag zudem einen Paradigmenwechsel eingeleitet: Staaten müssen nicht nur die Waffen verbieten, sondern auch Verantwortung für die Opfer übernehmen. Dies war ein Novum in der internationalen Abrüstung und hat den Weg für weitere humanitäre Abrüstungsverträge geebnet.
Ein Vorbild für humanitäre Abrüstung
Der Ottawa-Vertrag hat gezeigt, dass zivilgesellschaftliches Engagement wirken kann. Er entstand aus einer einzigartigen Partnerschaft zwischen engagierten Staaten, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL), zu deren Gründungsorganisationen Handicap International gehört, erhielt 1997 den Friedensnobelpreis für ihre bahnbrechende Arbeit.
Das Modell des Ottawa-Prozesses diente als Blaupause für weitere humanitäre Abrüstungsabkommen – allen voran das Übereinkommen über Streumunition von 2008 und die politische Erklärung über Explosivwaffen in bewohnten Gebieten von 2022.
Ein Vertrag unter massivem Druck
Doch 26 Jahre nach seinem Inkrafttreten steht der Minenverbotsvertrag vor beispiellosen Herausforderungen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führt zu einer massiven Kontamination mit Landminen in der Ukraine. Dies hat zu einer noch nie dagewesenen Situation geführt: Ein Land, das nicht Vertragsstaat ist, setzt diese Waffen auf dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ein.
Diese Entwicklung hat einige an Russland grenzende Staaten dazu veranlasst, über einen Austritt aus dem Minenverbotsvertrag nachzudenken – ein bisher undenkbarer Rückschritt. Zusätzlich hat die US-Regierung Ende 2024 zwei Transfers von Antipersonenminen an die Ukraine genehmigt – die ersten US-Exporte dieser Art seit 1992.
"Diese Entwicklungen bedrohen die enormen humanitären Errungenschaften, die in den letzten 25 Jahren erzielt wurden", warnt Tamar Gabelnick, Direktorin der ICBL, in einer aktuellen Pressemitteilung. "Die Welt ist dank des Minenverbotsvertrags deutlich sicherer geworden. Jetzt ist es an der Zeit, ihn gegen jegliche Rückschritte zu verteidigen."
Und auch von einer anderen Seite torpedieren die USA den Erfolg des Vertrags. Durch die anhaltende Aussetzung der US-Auslandshilfe. Sie untergräbt internationale Bemühungen zur Minenräumung, Risikoaufklärung und Unterstützung von Überlebenden. Diese Kürzungen gefährden jahrzehntelange Fortschritte und setzen unzählige Leben aufs Spiel. Die USA stellen etwa 40% der weltweiten Beiträge zur Minenräumung bereit, wie der Landminen-Monitor 2024 dokumentiert.
Diese Kürzungen folgen auf einen eigentlichen Lichtblick: 2023 erreichten die globalen Mittel für Minenaktionsprogramme mit insgesamt 1,03 Milliarden US-Dollar einen historischen Höchststand – ausgelöst allerdings vor allem durch verstärkte Ukraine-Unterstützung.
Der Kampf gegen Landminen ist noch lange nicht gewonnen. Noch immer sind 58 Staaten und andere Gebiete mit Antipersonenminen kontaminiert, darunter 33 Vertragsstaaten. In sieben Vertragsstaaten wird eine massive Kontaminierung vermutet, darunter Afghanistan, Kambodscha und die Ukraine.
Die Botschaft zum 26. Jahrestag des Ottawa-Vertrags ist daher zwiegespalten: Er ist eine Erfolgsgeschichte der humanitären Abrüstung, aber seine Errungenschaften müssen entschlossen verteidigt werden. Denn wie jede Mine zeigt: Ein Rückschritt kann tödlich sein.
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