Landminen-Monitor 2024
Am 20.11. präsentierte die internationale Landminenkampagne in Genf den jährlichen Landminen-Monitor. Dieser meldet auch im neunten Jahr in Folge eine hohe Zahl von Opfern durch Antipersonen-Minen, einschließlich improvisierter Minen sowie durch andere explosive Kriegsreste.
5.757 Menschen wurden durch diese Waffen und Blindgänger im Jahr 2023 getötet oder verletzt, 84 % davon stammen aus der Zivilbevölkerung. Diese hohe Zahl ist vor allem auf die Zunahme der bewaffneten Konflikte und die Verseuchung durch improvisierte Minen seit 2015 zurückzuführen.
Die Streitkräfte Russlands und Myanmars haben in großem Umfang Antipersonen-Minen eingesetzt – ebenso wie nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in mindestens fünf Ländern sowie in Ländern und Grenzen der afrikanischen Sahelzone.
Zuletzt aktualisiert am: 20.11.2024
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Wie jedes Jahr wird der Landminenmonitor im Vorfeld der jährlichen Konferenz zum Minenverbot veröffentlicht, die dieses Jahr vom 25. bis zum 29. November in Siem Reap, Kambodscha stattfindet.
Das asiatische Land ist eines der leuchtendsten Beispiele für den Erfolg der Ottawa-Konvention von 1997, die Antipersonen-Minen für all ihre Vertragsstaaten verbietet. Minenräumung und großangelegte Aufklärungskampagnen haben zehntausende Menschen gerettet: Im Jahr 2000 töteten und verletzten Landminen noch 800 Menschen - 2023 waren es weniger als 23.
Weltweit gibt es leider trotzdem keine Entwarnung. Nach vielen Jahren, in denen jedes Jahr weniger Opfer gezählt wurden, steigen die Zahlen seit einigen Jahren wieder an. Schuld daran sind die Zunahme bewaffneter Konflikte und der Einsatz von selbstgebauten Minen.
Der Landminen-Monitor 2024 erfasst die Daten für das Kalenderjahr 2023 und enthält außerdem Informationen bis Oktober 2024 (wo möglich).
► Lesen Sie hier alles über die Ottawa-Konvention.
Unfälle weltweit
- Im Jahr 2023 gab es mindestens 5.757 Opfer von Landminen und explosive Kriegsresten
- Dies stellt einen Anstieg um 16% im Vergleich zum Jahr 2022 dar (4.710).
- 1.983 Menschen verloren ihr Leben und 3.663 wurden verwundet.
- 84 % der Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung.
- 37% von ihnen waren Kinder (1.498).
- In 53 Ländern und zwei Gebieten gab es Unfälle
- Die meisten Unfälle gab es 2023 zum ersten Mal im in Myanmar (2022: Syrien).
- Danach folgen Syrien (933), Afghanistan (651) und Ukraine (579).
„Der 1997 geschlossene Vertrag über ein Verbot von Antipersonen-Minen hat viel bewirkt und die Zahl der Opfer in vielen Ländern deutlich reduziert. Dennoch sehen wir in den letzten Jahren wieder eine so hohe Zahl Verletzter und Getöteter. Konflikte nehmen zu und einige Armeen, wie Russland in der Ukraine oder Myanmar, setzen Landminen in großem Umfang ein“, sagt Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland. „Darüber hinaus bleiben Gebiete über längere Zeiträume kontaminiert, was auch lange nach Beendigung des Konflikts Opfer fordert. Im Jemen beispielsweise ist die Gewalt seit einem Waffenstillstand im Oktober 2021 deutlich zurückgegangen, aber die Menschen sind weiterhin Opfer des Erbes vergangener Kämpfe“, so Fischer weiter.
► Lesen Sie hier alles über Landminen
Einsätze
Antipersonen-Minen und improvisierte Sprengsätze wurden im Berichtszeitraum im Gaza-Streifen, in Indien, Iran, Kolumbien, Myanmar, Nordkorea, Pakistan und in der Ukraine eingesetzt. Außerdem gibt es Hinweise auf Einsätze in der Sahel-Zone.
Einsatz durch staatliche Akteure
Während des Berichtszeitraums wurden neue Fälle von Landminen-Einsätzen durch die Nicht-Vertragsstaaten Iran, Myanmar, Nordkorea und Russland gemeldet.
Nach Aussage des Landminen-Monitors haben die Streitkräfte Myanmars seit 2021 den Einsatz neuer Minen erheblich ausgeweitet, auch in der Nähe kritischer Infrastruktur wie Mobilfunkmasten, Bergbauunternehmen und Energiepipelines. Der Einsatz von Minen in Myanmar nahm im Zeitraum 2023 bis 2024 erheblich zu, da sowohl die Streitkräfte Myanmars als auch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen Minen einsetzten.
Die russischen Streitkräfte haben seit Beginn des Kriegs in der Ukraine am 24. Februar 2022 in großem Umfang Antipersonen-Minen eingesetzt. Russland hat 2023 als erstes Land überhaupt gegen die jährliche Resolution der Vereinten Nationen gestimmt, die die vollständige Universalisierung und Implementierung der Ottawa-Konvention gefordert hat. Zuvor hatte sich Russland bei der Abstimmung enthalten.
In der Ukraine untersuchen Behörden derzeit die Umstände, unter denen ihre Streitkräfte im Jahr 2022 Antipersonen-Minen in und um die Stadt Izium einsetzten, als die Stadt unter russischer Kontrolle stand. Der Einsatz ist ein klarer Verstoß gegen den Minenverbotsvertrag, dessen Mitglied die Ukraine ist
Einsatz durch Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen
Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in mindestens fünf Ländern setzten ebenfalls Antipersonen-Minen ein: Indien, Kolumbien, Myanmar, Pakistan und den palästinensischen Gebieten (Gaza). Darüber hinaus wird bestimmten Gruppen in oder am Rande der Sahelzone der Einsatz neuer Minen zugeschrieben. Folgende Länder könnten betroffen sein: Benin, Burkina Faso, Kamerun, die Demokratische Republik Kongo (DRC), Mali, Niger und Nigeria.
Kontamination
Mindestens 58 Länder und andere Gebiete sind mit Antipersonen-Minen verseucht. Darunter 33 Vertragsstaaten, 3 Gebiete und 22 Nicht-Vertragsstaaten.
► Die ausführliche Liste finden Sie hier: Landminen weltweit
Minenarten
Improvisierte Minen forderten im Jahr 2023 zum achten Mal in Folge die meisten Opfer (2.071). Auf industriell hergestellte Minen entfielen 833 Opfer. Auf Blindgänger entfielen 2023 rund 20 % der vom Monitor erfassten Opfer (946).
► Lesen Sie hier mehr über Minenarten
Produktion
Insgesamt 12 Staaten produzieren nach wie vor Antipersonen-Minen oder behalten sich zumindest das Recht vor: Armenien, China, Indien, Iran, Kuba, Myanmar, Nordkorea, Pakistan, Russland, Singapur, Südkorea und Vietnam. Keines dieser Länder ist Mitglied der Ottawa-Konvention.
Allerdings produzieren derzeit vermutlich nur Indien, Iran, Myanmar, Pakistan, Russland und Südkorea tatsächlich Antipersonen-Minen. Die anderen behalten sich aber zumindest das Recht vor.
All diese Länder müssen schnellstmöglich der Ottawa-Konvention beitreten und die Produktion von Antipersonen-Minen verbieten.
► Lesen Sie hier alles über die Hersteller von Landminen
Räumung
Vertragsstaaten berichteten die Räumung von insgesamt 281,50 km² kontaminiertem Land im Jahr 2023. Dabei zerstörten sie 160.566 Antipersonen-Minen.
Dies ist die größte geräumte Fläche seit 2019 und entspricht einer deutlichen Steigerung von 62,2 km² im Vergleich zu 2022.
Kambodscha und Kroatien räumten die mit Abstand größten Flächen. Beide Länder kamen zusammen auf 209 km². Dabei zerstörten sie 24.743 Antipersonen-Minen.
► Lesen Sie hier alles über Minenräumung
Informieren Sie sich weiter:
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Mirsad Tokic ist sich sicher: Wären Menschenleben wichtiger gewesen als Profit, hätte er heute noch sein Bein und seine Kollegen.
Neuigkeiten:
Hintergrundfoto: Fatou Diaw arbeitet seit 2018 für HI als Minenräumerin in der Casamance im Senegal. Sie ziert das Cover des Landminemonitors 2023. M. Simoncelli / HI